Leider hat es auch in meiner Ponyschule im Laufe der Jahre einige Ponys gegeben, die ich nicht behalten konnte - obwohl ich mir von Herzen vorgenommen habe, dass ein Pferd, das bei mir ein Zuhause gefunden hat, dieses bis zu seinem letzten Atemzug behalten darf. Gott sei Dank musste ich erst einmal ein eigenes Pony auf die ewige Weide schicken – meinen heißgeliebten Rocky, der über 30 Jahre alt wurde und ein optischer Zwilling zu Fiete sein könnte.
Für alle anderen habe ich immer ein schönes neues Zuhause gefunden (so hoffe ich inständig), in dem sie sich wohler fühlen und ihrem Wesen nach besser aufgehoben sind, als in meinem Ponyschulbetrieb.
Denn für ein Schulpony muss man geboren sein. Einerseits sollten man ein großes Herz für Kinder haben, großzügig Fehler verzeihen und dabei trotzdem fein bleiben. Andererseits aber auch den Zweibeinern Grenzen setzen und so zu einem wertvollen Lehrmeister werden. Und das alles bedarf einer großen Portion Humor und starker Nerven – die leider nicht alle hatten. Und so gehört es für mich auch zur Pflicht eines Pferdebesitzers zu merken, wenn man eben nicht der beste Mensch/Ort für diesen Vierbeiner ist. Von meinem geliebten Rocky gibt es gar keine digitalisierten Fotos. Er war mit Moses und Mali zusammen ein Gründungsmitglied der ersten Stunde der Ponyschule und hat einen tollen Job gemacht, den er auch sehr liebte – genau wie seine Mali. Er starb mit über 30 an einer Kolik.
Nur
ein schlechtes Digitalfoto gibt es von dem zauberhaften Stöpsel, einem
kleinen Schimmel, der nervlich einfach nicht für kleine Reitanfänger
geschaffen war. Dazu kam noch, dass er furchtbaren Liebeskummer nach einer
Stute aus dem alten Stall hatte und deswegen sogar das Fressen einstellte…
Also kam er zu seiner Liebsten zurück – neben der er dann auch wieder zu
grasen anfing.
Die
kleine Schimmel-Shettystute Laika stellte sich nicht nur durch ihr extrem
loses Knieband als Problem raus, sondern vor allem durch ihr loses Mundwerk:
Sie versuchte, die kleinen Kinder beim Führen zu beißen. Als Notlösung
stattete ich sie mit Ausbindern aus – auch nicht wirklich prickelnd. Zwar
fand auch sie ihre Liebhaber, aber das war mir auf Dauer zu gefährlich.
Dann
gab es noch die hübsche Rappscheck-Shettystute Schnecke. Zauberhaft unterm
Sattel und ein echter Hingucker. Doch sie fiel die Kinder geradezu von
hinten an, wenn die ein anderes Pony vom Paddock holen wollten – bis einmal
Blut floss. Das ist für ein Kinder-Schulpferd natürlich nicht zu dulden.
Und leider auch nicht die Buckeleien von der zauberhaften Maja, Lasses Mutter. Ich hatte mich bis über beide Ohren in sie und ihre großen Rehaugen verliebt. So sehr, dass ich sogar den dreimonatigen Lasse an ihrer Seite mit in Kauf nahm, obwohl ich so gar nichts mit einem kleinen Hengstfohlen in meiner beengten Ponyschule anfangen konnte.
Maja
war zuckersüß zu den Kindern beim Putzen, Kuscheln, Führen und geführten
Reiten. Doch sobald man sie frei ließ, buckelte sie mit den Kindern im
schönsten Rodeostil um die Reitbahn. Zwar fanden die ganz Mutigen das eher
lustig, weil die Fallhöhe ja nicht so hoch war. Aber als Lehrpony geht so
etwas nicht. Da sie eine sehr wertvolle Zuchtstute und Mutter war und ist
(was ja auch ihr schnuckeliger Sohn bewies), gab ich sie gemeinsam mit den
Stuten Laika und Schnecke zu einem bekannten Shettyzüchter. Dort sollten sie
fortan vor der Kutsche gehen (Schnecke), weitere zauberhafte Fohlen bekommen
(Maja) und als Beistellpony (Laika) leben.
Dann
wurde verzweifelt ein neuer Platz für eine schicke 16-jährige
Araber-Mix-Stute gesucht, die in einer konventionellen Reitschule einfach
über die Uhr gedreht worden war. Da es bei uns ja anders zugeht, war ich
guter Hoffnung, ihr ein gutes Zuhause bieten zu können und nahm die hübsche
Fuchsstute Melissa vertrauensvoll bei uns auf. Sie hatte schon Probleme,
sich in die Herde zu integrieren – und Kinder, egal wie sanft sie mit ihr
umgingen – fand sie einfach nur schrecklich. Leider! Also kam sie zu einer
erwachsenen Freundin, die ein ähnlich gestörtes Verhältnis zu Kindern hat,
wie Melissa. Dort lebt sie heute noch als intensiv betütteltes Privatpferd.
Fast zur gleichen Zeit nahmen wir aus einem Trauerfall zwei Ponys auf: Fiete und Tessa. Der kleine Rappe bricht ja nach wie vor die Herzen der Kinder (meines hat er schon lange), doch die unglaublich temperamentvolle und Ganggewaltige Falb-Schecktute Tessa war von ihrem Vorbesitzer leider zu Grunde gefüttert worden und litt unter extremer Hufrehe.
Sie durfte nie wieder eine Weide sehen. Da ich Hals über Kopf den
damaligen Stall verlassen musste und nur einen Platz mit viel Gras fand,
musste ich mich schweren Herzens von dem Prachtstück trennen. Sie fand eine
kleine Reiterin, deren ganzer Stolz sie war und die mit ihr etliche
Schleifen auf Turnieren holte und mir noch Jahre später begeisterte Mails
schrieb.
Danach wurde ich erst einmal vorsichtig mit den Angeboten von angeblich so lieben Ponys. Doch meine vierbeinigen Lehrer brauchten DRINGEND Unterstützung. Am besten eine mittlere Größe, auf der sowohl die kleineren, aber auch etwas größere und schwerere Kinder reiten konnten. Ich fand im Internet die Fjord-Mix-Stute Stine, die mir durch ihre schönen Augen (ja, bei denen werde ich einfach schwach, wie all meine Ponys beweisen…) und die ungewöhnliche Nougatfarbe auffiel. Groß Probereiten war nicht, aber sie war sehr fein und weich zu reiten. Doch das leider nur von zwei Personen ohne Zickereien – und eine davon war ich selbst. Sie hatte überhaupt keine Lust als Schulpferd mit wechselnden Reitern zu leben. Also schenkte ich sie kurzerhand der Reiterin, die sie als zweites problemlos auf ihr reiten ließ: Tanja. Die baute für Stiene hinter ihrem Haus sogar eigens einen Stall und schaffte sich noch ein zweites Pony als Beistellpferd an. Ein absolutes Happyend für alle Beteiligten.
Als Tausch für die oben erwähnten Shettystuten bekam ich vom Züchter zwei Wallache: Picasso und Jasper. Picasso hat immer noch viel Spaß mit meinen Kiddis, auch wenn er über ein Jahr brauchte, um in der Herde anzukommen. Das fiel dem kleinen Rappen Jasper überhaupt nicht schwer. Er war ein echter Spaßmacher in der Herde, scheinbar immer mit einem Lächeln auf den Lippen war er zu jedem Schabernack aufgelegt. Als Halbbruder zu Lasse – sie haben denselben Vater – hatte er aber auch dessen Temperament und Schalk im Nacken geerbt.
Er
war einfach zu temperamentvoll und dabei zu zart, um so kleine Kinder
auszubilden, die sich auch noch sicher auf ihm fühlen sollten. Und so blieb
er immer häufiger auf dem Paddock stehen, wenn alle anderen raus kamen. Und
er wurde immer trauriger. Dazu kam auch noch eine einseitige Erblindung aus
unerfindlichen Gründen, so dass er rechts herum immer sehr unsicher war. Er
fand in Claudia eine neue Besitzerin, die eine eigene kleine Herde hat und
ebenfalls Kinderreitunterricht gibt.
Gott sei Dank, denn die liebt er sehr. Allerdings geht sie mit Jasper und den Kindern ins Gelände und hat den Zauberbären dabei oft als Handpferd dabei und auch vor der Kutsche. Ich treffe ihn ab und zu noch in den Grander Tannen und er macht einen sehr glücklichen und fröhlichen Eindruck.
Laurin
war der Versuch, endlich auch mal ein Pferd für größere Reiter zu bekommen.
Er wurde von seiner Besitzerin abgegeben, da sie angeblich keine Zeit mehr
für ihn hatte. Ein wunderschöner Fliegenschimmel und Araber-Mix – der jeden
Reiterwechsel mit sehr schnellen Galoppaden quittierte. Puh, und das bei der
Höhe (ca. 162 cm). Als typischer Araber war er sehr empfindlich und allem
Neuen gegenüber skeptisch. Ich hatte echte Bauchschmerzen dabei, ihn mir mit
meinen Schülern in diversen Situationen vorzustellen. Doch Wiebke hatte
Blümchenaugen, wenn sie den Großen sah. Und da die Zeit bei ihr einfach reif
für ein eigenes Pferd war und ihr Herz eh schon verloren, überließ ich ihr
den Hübschen. Seitdem blüht er merklich auf und hat jede Menge zu lernen.
Jetzt kommen wir zu dem schwersten Kapitel: Baschka und ihre Tochter
Grazina. Wir bekamen die kleine, noch nicht zweijährige Konikstute über die
Vermittlung meiner Tierärztin. Sie und ihr Bruder waren in der Herde als
Landschaftspfleger zu viel und sollten zum Schlachter. Also haben wir die
völlig rohe und noch nie von einem Menschen berührte Stute zu uns genommen,
um sie gemeinsam mit unseren fortgeschrittenen Jugendlichen auszubilden. Das
war die beste Entscheidung, die wir für alle Beteiligten treffen konnten.
Baschka war und ist eine tolle, intelligente und sehr feine Stute, die sich geradezu darum riss, trainiert zu werden. Wir haben ebenso viel von ihr gelernt, wie sie von uns. Unter anderem schenkte sie uns ganz überraschend ein Fohlen, Grazina. Wir hatten wirklich keine Ahnung, dass Baschka in ihrem jungen Alter bereits tragend zu uns gekommen ist. Was für ein Wunder!!! Und wie gut, dass wir zeitgleich die kleine, noch nicht ganz einjährige Pearl hatten, so dass beide Fohlen gemeinsam aufwachsen konnten.
Die beiden Grauen waren sehr präsente Ponys in der Herde und versuchten ihren Willen immer durchzusetzen. Vom Boden gut handhabbar, war es unter dem Sattel nicht immer leicht. Und das, obwohl sie in Annika die beste Lehrerin in Sachen Reitpferd hatte. Und auch Grazina machte sich am Boden und in der NH-Arbeit hervorragend.
Die beiden wurden leider Opfer meiner absoluten Arbeitsüberlastung. Ich versorgte zu dem Zeitpunkt 19 !!!! Ponys an fünf Tagen die Woche allein. Das hieß nicht nur füttern, sondern auch unzählige Karren Mist sammeln und durch den schweren Schlamm zu schieben - zusätzlich zum täglichen Unterricht. Das mündete schließlich in einem Nervenzusammenbruch und völligen Burnout. Ich musste einfach reduzieren. Und es traf die beiden, die als Letzte gekommen waren und noch nicht richtig im Schulbetrieb mitarbeiteten.
Es fällt mir heute noch schwer und hat nicht nur mir, sondern vor allem auch Annika das Herz gebrochen. Auch wenn beide ein schönes neues Zuhause gefunden haben. Leider nicht zusammen, sondern Grazina in Rostock und Baschka im Amt Neuhaus, lustigerweise im selben Dorf, aus dem sie gekommen ist. Aber nicht beim alten Besitzer. Sie kann übern Zaun hinweg mit ihrem Vater flirten und macht ihre neue Besitzerin Doro sehr glücklich.
Jedes einzelne Pony, das in meiner Ponyschule mitgelebt hat, hat seine Spuren hinterlassen und uns Erfahrungen und Liebe geschenkt. Dafür danke ich jedem einzelnen von ganzem Herzen und hoffe, dass unsere Begegnung eine sinnvolle Zwischenstation für sie gewesen ist, in ein glückliches Leben.